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Titel
Huttwil 1313. Das mittelalterliche und frühneuzeitliche Stadtrecht von Huttwil


Autor(en)
Rettenmund, Jürg
Erschienen
Huttwil 2013: Einwohnergemeinde Huttwil
Anzahl Seiten
94 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Anne-Marie Dubler

Anders als seine Oberaargauer Nachbarstädtchen wird Huttwil kaum als mittelalterliches Städtchen wahrgenommen, da äussere Merkmale wie Stadtmauern, Gräben und enge Gassenstruktur fehlen. Sie fehlen als Folge der Stadtbrände von 1537 und 1834 und weil die Gräben ab Ende des 16. Jahrhunderts sukzessive zugeschüttet wurden. Den Stadtbrand von 1834 samt Wiederaufbau beschrieb der Historiker Jürg Rettenmund in seiner «Erinnerungsschrift» von 1984: Strenge Bauvorschriften zwecks Brandschutz veränderten damals das Ortsbild nachhaltig; Planaufnahmen der alten Baulinien enthalten bis auf den befestigten Kirchhof keine konkreten Angaben zur einstigen Stadtbefestigung. Gemäss Bildquellen war diese offenbar nach dem Brand von 1537 nicht wieder errichtet worden; diesbezügliche archäologische Untersuchungen waren bis anhin auf einen Einzelfall beschränkt. Um die Bevölkerung vermehrt für ihre Stadtgeschichte zu motivieren, beschloss die Einwohnergemeinde Huttwil, 2013 eine 700 - Jahr-Feier – Huttwil 1313 – 2013 – durchzuführen. Hierzu war aber erst einmal eine Ortsgeschichte nötig. Mit dieser Aufgabe, einer breiten Leserschaft die städtische Vergangenheit zu erklären und nahezubringen, wurde Rettenmund als zurzeit bester Kenner der Huttwiler Geschichte beauftragt.

Diese Aufgabenstellung prägt denn auch den eben erschienenen Band, der die Gründung des Städtchens Huttwil im Mittelalter beleuchtet und seine Entwicklung bis zum Umbruch im 19. Jahrhundert punktuell verfolgt. In unkonventioneller Art und mit Sinn für Volkstümlich-Volkskundliches ging Rettenmund auf offene Fragen der städtischen Identität Huttwils ein, so auf die Frage der unbekannten Gründungszeit, ferner auf jene Ereignisse oder «Meilensteine» zwischen 1340 und 1754, die Huttwils Existenz massgeblich beeinflussten, weiter auf all jene Aspekte von Stadt und Stadtrecht, die dem heutigen Leser unbekannt sind, und schliesslich auf den für Huttwil wie für alle Oberaargauer Landstädtchen politisch und fiskalwirtschaftlich schwierig zu verkraftenden Umbruch zwischen 1798 und 1862. In journalistischer Art lässt Rettenmund mit Huttwil befasste Autoren in oft seitenlangen Zitaten und Exkursen zu Wort kommen – so etwa die Huttwiler Lehrer Johann und Sohn Ernst Nyffeler mit ihrer Heimatkunde von Huttwil (1871, neu ediert 1996) sowie die Fachwelt u.a. mit Archäologen (Gutscher, Baeriswyl) und Historikern (Hofer, Flatt, Studer).

Dazu einige Resultate: Das bis anhin umstrittene Gründungsdatum der Kleinstadt – 1265, 1280 oder 1313? – ist nicht überliefert, doch rechtfertigt 1313 als Datum der Ersterwähnung der Stadt Huttwil die 700-Jahr-Feier. Die Gründung als befestigte Stadt dürfte etwas früher um 1275 in den Jahren der Machtkämpfe zwischen Habsburg und Savoyen anzusetzen sein mit Habsburg als Stadtgründer, eine Gründung also in der letzten Welle mittelalterlicher Stadtgründungen. Bei den Meilensteinen des Städtchens beginnt Rettenmund mit dessen Zerstörung 1340 durch Bern im Gefolge des Laupenkriegs zwischen Savoyen und Bern. Der gewichtigste Meilenstein ist indes die Erwerbung Huttwils durch Bern 1408 und dessen Eingliederung in den bernischen Stadtstaat: Erst unter Bern erhielt Huttwil städtisches Recht in Schriftform – Markt (1467), Zoll (1505) und Stadtsatzung (1659). Im Schutz der Pax Bernensia konnte sich Huttwil nach dem Stadtbrand von 1537 erlauben, Mauern und Gräben nicht wieder herzustellen. Ausführlich wird der Bauernkrieg von 1653 und seine Auswirkung auf Huttwil behandelt.

Ein besonderes Anliegen des Autors ist die Darstellung und Erklärung des Stadtrechts, das erst die mittelalterliche Stadt ausmachte – das Recht auf Befestigung, auf Zoll und Umgeld, Markt und Kaufhaus und auf das extramurale Siechenhaus. Zu präzisieren wären Aussagen zu Galgen und Schultheiss: Die Hohe Gerichtsbarkeit mit Stock und Galgen lag unter Kiburg beim Städtchen, kam aber unter Bern 1408 in die Verwaltung des Landvogts von Trachselwald; anders als im Fall Burgdorf gelang es dem Huttwiler Schultheiss nicht, sein Amt in den Rang einer Landvogtei zu erheben. Der Schultheiss war kein Beamter des Städtchens, sondern gemäss der Stadtsatzung ein Beamter Berns, von der Obrigkeit eingesetzt und ihr mit Amtseid verpflichtet. Namens der Obrigkeit sass er dem Niedergericht von Städtli, Herd- und Hofgemeinde vor und bezog die daher fallenden Bussen, von denen Huttwil ein Teil zukam; die hohen Gerichte lagen bei Bern und ab 1516 definitiv in der Verwaltung des Landvogts von Trachselwald.

Der Band vermittelt der einheimischen Bevölkerung in Text und Bild Grundlegendes zum Verständnis ihrer Stadtgeschichte. Dabei griff Rettenmund auch etwa zu Anleihen: So etwa übernimmt er, da Huttwils Stadtbefestigung archäologisch zu wenig untersucht ist, als Zitat geschickt das Beispiel von Unterseen und Thun, um seiner Leserschaft zu demonstrieren, wie sich die Kleinstadtgründung abgespielt haben könnte. Huttwil 1313 wurde erklärtermassen nicht für die Fachwelt verfasst. Da und dort hätte man gleichwohl mehr Auskunft erwartet, zum Beispiel bei der Erklärung von historischen, nicht mehr gebräuchlichen Institutionen und Rechtsbegriffen, die auf Angaben aus dem teils in die Jahre gekommenen Idiotikon beruhen, wobei diesbezügliche Artikel im Historischen Lexikon der Schweiz (HLS) up to date und leicht zugänglich sind.

Wie steht es eigentlich um den unbekannten einstigen Kirchenpatron Huttwils? Ist es etwa der Heilige Andreas mit Buch und Andreaskreuz, ein von den Habsburgern aus Burgund importierter Schutzpatron, in der Wappenscheibe des Schultheissen Schindler? Auch wären Vergleiche mit dem gründlich untersuchten Städtchen Willisau, das mit Huttwil nicht nur die verheerenden Stadtbrände gemeinsam hat, nützlich gewesen. Insgesamt aber hat die Bevölkerung von Huttwil mit dem Band Huttwil 1313 eine lesenswerte und anregende Stadtgeschichte erhalten. Ein zweiter Band zur Dokumentation des Festjahrs 2013 wird folgen; dieser wird auch die noch fehlende Geschichte der Märkte bis heute enthalten.

Zitierweise:
Anne-Marie Dubler: Rezension zu: Rettenmund, Jürg: Huttwil 1313. Das mittelalterliche und frühneuzeitliche Stadtrecht von Huttwil. Einwohnergemeinde Huttwil 2013. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 75 Nr. 4, 2013, S. 80-82.

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Beiträger
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 75 Nr. 4, 2013, S. 80-82.

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